Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauer auf der Tribüne! Ich freue mich über diese Aktuelle Stunde der FDP; denn sie gibt mir die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass ich mit meiner Vorhersage, dass Hessen auf ein großes Chaos in der Umsetzung der Grundsteuerreform zuläuft, völlig recht hatte.
Wir erleben gerade lediglich deren Anfänge: ein überlastetes ELSTER-System, unvollständige, teils völlig falsch vorliegende Daten. Dass einigen Grundsteuerpflichtigen im Anschreiben sogar der falsche Ehepartner zugeordnet worden ist, finden nur die lustig, die davon nicht betroffen sind. Der Ärger bei den Bürgerinnen und Bürgern ist groß, unser Unverständnis ebenso.
Denn während von den Bürgerinnen und Bürgern erwartet wird, dass sie ihre Grundsteuererklärung ausschließlich digital über das – ich hatte es gesagt – zeitweilig völlig überlastete ELSTER-Portal abgeben, lässt die Digitalisierung der Verwaltung nach wie vor mehr als nur zu wünschen übrig. Das führt dazu, dass anders, als Frau Dahlke es eben beschrieben hat, Grundsteuerpflichtige jetzt Daten benötigen, die nicht digital abgefragt werden können, sondern ganz altmodisch analog mit dem klassischen Behördengang zu erledigen sind: hingehen, Anträge ausfüllen, Auskünfte einholen, und das benötigt vor allem viel Zeit – und all dies, um dann digital Daten zu übermitteln, die streng genommen schon vorliegen müssten.
Dass viele Bürgerinnen und Bürger – ich sage es einmal freundlich – verärgert sind, wen wundert es? Sie erwarten von den Bürgerinnen und Bürgern, dass sie ausschließlich digital mit einer Verwaltung kommunizieren, für die Digitalisierung in weiten Teilen noch eine Fremdsprache ist.
Wir haben hier schon vor Monaten gefordert, dass es für Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit geben muss, die Grundsteuererklärung auch in Papierform abzugeben, und zwar nicht nur im Härtefall. Schwarz-Grün hat das abgelehnt. Finanzminister Boddenberg hat uns dann im Haushaltsausschuss eine unbürokratische Lösung versprochen, ganz so, wie es jetzt im extra nachgeschobenen Antrag der schwarz-grünen Koalition zu lesen ist.
Wenn man dann aber beispielsweise in Kassel beim Bürgerservice des Finanzamts zum Thema Grundsteuer anruft und freundlich um die Möglichkeit bittet, die Grundsteuererklärung in Papierform abgeben zu dürfen, erhält man dort die nicht ganz so freundlich formulierte Antwort, dies müsse man schriftlich formulieren, und zwar unter Angabe von stichhaltigen Gründen beim Finanzamt beantragen, und überhaupt habe man in Kassel gar keine Formulare. Die gebe es ausschließlich digital.
Unbürokratisch, bürgerfreundlich, kundenorientiert? Nein, Fehlanzeige.
Da hilft es überhaupt nicht, dass man diese Antwort mittlerweile auch samstags erhalten kann. Es hilft noch viel weniger, jetzt per Antrag beschließen zu wollen, dass dies gar nicht so sei. Denn, um es mit Erich Kästner zu sagen: Es gibt tatsächlich nichts Gutes, außer man tut es dann auch.
Beim Zensus war es übrigens problemlos möglich, die Unterlagen nicht digital, sondern in Papierform auszufüllen. Dafür musste man einfach nur telefonisch darum bitten. Wieso funktioniert beim Zensus etwas, was bei der Grundsteuer offenbar unmöglich ist?
Ja, klar. Wir haben gelernt, für so etwas hat der hessische Bürger, die hessische Bürgerin Angehörige, die helfen dürfen. Jetzt hat auch in Hessen nicht jeder Mensch Angehörige. Aber selbst wenn er Angehörige hat, erscheint es zumindest vorstellbar, dass nicht jeder seine sensiblen Steuerdaten mit diesen Angehörigen teilen möchte – nicht mit seinen Angehörigen, erst recht nicht mit völlig Unbekannten.
Der „Hanauer Anzeiger“ hat erst kürzlich berichtet, dass auf einem Anschreiben des Finanzamts Hanau zur Grundsteuer nicht nur die Daten des Empfängers, sondern auch einer weiteren, ihm unbekannten Person standen, mit der er vielleicht verheiratet sein könnte. Zu finden war unter anderem die Steueridentifikationsnummer. Ich bin mir ganz sicher: Das möchte niemand mit jemand Unbekanntem teilen.
Zu diesen Datenpannen ist es gekommen, weil sich bei den zur Grundsteuer gespeicherten Daten jahrelang nichts getan hat, weil die Umsetzung der Grundsteuer – wir haben es schon gehört – nur sehr unzureichend vorbereitet war.
Wir stellen also fest, dass es in Hessen große Probleme gibt, das als so einfach, transparent und leicht nachvollziehbar angepriesene hessische Sondermodell bei der Grundsteuer umzusetzen, während andere Bundesländer das wesentlich gerechtere Bundesmodell von Olaf Scholz umsetzen. Auch bei der Grundsteuer liegt Hessen also definitiv nicht vorne, sondern eher ganz weit hinten.
Wenn man also schon ein stark vereinfachtes Modell auf Kosten der Steuergerechtigkeit umsetzen will, muss man sich daran messen lassen, wie gut dies funktioniert. Da ist wirklich noch sehr viel Luft nach oben. – Herzlichen Dank.