Statt dafür zu sorgen, dass weiterer Schaden von der documenta abgewendet werde, zeigen die Äußerungen von Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) dass es der schwarz / grünen Landesregierung darum gehe sich aus sämtlicher Verantwortung für die documenta zu verabschieden, kommentiert Esther Kalveram, SPD Landtagsabgeordnete aus Kassel, die jüngsten Forderungen von Ministerpräsident Rhein, bei der documenta jeden Stein umzudrehen und darüber nachzudenken, ob die Strukturen so bleiben können.
2018, als Boris Rhein noch Minister für Wissenschaft und Kunst und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der documenta GmbH war, habe dieser sich in einer Pressemitteilung der documenta hingegen so geäußert: „Die documenta erfindet sich jedes Mal neu, sie geht Risiken ein, künstlerisch und kuratorisch, und bezieht gesellschaftlich und politisch Stellung. Entsprechende Diskussionen sind ausdrücklich erwünscht. Mit den Beschlüssen des Aufsichtsrats und den genannten Strukturveränderungen haben wir nun eine solide Grundlage für die Zukunft der documenta geschaffen.“ (Quelle: https://www.documenta.de/de/press#press/2503-weichen-fur-documenta-15-gestellt-jahresabschluss-documenta-14-festgestellt) . „Es wäre gut, wenn sich der Ministerpräsident jetzt an seine Worte erinnern könne“ fordert die Abgeordnete.
Kunstfreiheit sei nicht bedingungslos, sie unterliege den Grenzen der Verfassung. Wer aber wie der Hessische Ministerpräsident jetzt fordere „jeden Stein“ auf einer Kunstaustellung umzudrehen, stelle Kunst und ausstellenden Künstler unter Generalverdacht. „Das entspricht nicht dem Gedanken der Kunstfreiheit in Deutschland“, so Kalveram. Diese sei im Grundgesetzt vor allem unter dem Eindruck der leidvollen Erfahrungen von Künstlerinnen und Künstlern unter Diktatur, Zensur und Gewaltherrschaft verankert worden. „Es ist bei allen Verantwortlichen Konsens das antisemitische Bildsprache in Deutschland nicht ausgestellt werden dürfe und dass aufgeklärt werden müsse, wie genau es dazu kommen konnte, dass dies dennoch geschehen ist“, so Kalveram, aber deshalb dürfe man jetzt weder die gesamte documenta unter Generalverdacht stellen, noch den Gedanken der Freiheit der Kunst ins Absurde führen.