Völlig losgelöst? CDU-Ministerin Puttrich stellt im Vorbeigehen die Kirchensteuer in Frage

In den Zeitungen der VRM-Gruppe (Wiesbadener Kurier u.a.) ist heute ein Gastbeitrag der hessischen Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten Lucia Puttrich erschienen, der sich mit dem aktuellen Zustand der katholischen Kirche beschäftigt. In diesem Text schlägt die CDU-Ministerin unter anderem vor, das System des Kirchensteuereinzugs durch die Finanzämter abzuschaffen, um die „Eigenverantwortung“ der Kirchen zu stärken.

Dazu bemerkte die kirchen- und religionspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Nina Heidt-Sommer:

„Wenn eine CDU-Ministerin quasi im Vorbeigehen die Abschaffung der Kirchensteuer fordert, ist das bemerkenswert. Allerdings tut die Ministerin das offensichtlich, ohne über die Folgen ihres Vorschlags nachzudenken. Den Staatsvertrag aufzulösen, auf dessen Grundlage die deutschen Finanzämter die Kirchensteuer einziehen, wäre ein Großprojekt, das intensiv vorbereitet werden müsste. Vor allem aber müsste stets gewährleistet werden, dass die vielen kirchlichen Einrichtungen, die unverzichtbarer Bestandteil des sozialen Netzes in Deutschland sind – von Kindergärten und Schulen bis hin zu Kliniken und Hospizen – in ihrer Existenz gesichert werden.

Ein Blick in den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung hätte der Ministerin klarmachen können, dass das Thema der Staatskirchenleistungen in Berlin längst auf der Tagesordnung steht und dass der Bund im Dialog mit den Ländern und den Kirchen eine tragfähige Lösung sucht.

Interessant wäre es, zu erfahren, wie der Rest der schwarzgrünen Landesregierung zu dem sehr überraschenden, aber wenig durchdachten Vorstoß der CDU-Ministerin steht.

Was bleibt, ist der Eindruck, dass Ministerin Puttrich versucht, die aktuelle Debatte über den Zustand und die Zukunft insbesondere der katholischen Kirche zu nutzen, um sich selbst öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen. Den komplexen, weitreichenden und sensiblen Fragestellungen, die sich im Verhältnis von Staat und Kirche auftun, wird Frau Puttrich auf diese Weise jedenfalls nicht gerecht. Ich halte es nicht nur für oberflächlich, sondern für geradezu verantwortungslos, ein Thema von dieser Dimension in der Art und Weise anzugehen, wie es Frau Puttrich tut.

Reformen tun Not, keine Frage. Aber zum Erfolg führt dabei nur ein intensiver, kritischer und vor allem gut vorbereiteter Diskurs. Zu diesem kann Frau Puttrichs publizistischer Schnellschuss leider keinen Beitrag leisten.“