Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Dahlke, ich will Sie nicht enttäuschen, aber ich finde den Gesetzentwurf der Landesregierung immer noch enttäuschend.
Schwarz-Grün verschenkt heute einmal mehr die Gelegenheit, Hessen zukunftsfähig aufzustellen – und diesmal bei der Reform der Grundsteuer. Der uns vorliegende Gesetzentwurf wird dazu führen, dass eine in einem innenstadtnahen sozialen Brennpunkt gelegene geringwertige Immobilie dieselbe Steuerlast hat wie die flächengleiche Villa in bester Stadtlage. Das ist ungerecht, und das ist auch unsozial.
Flächenmodelle sind prinzipiell so ziemlich das ungerechteste Modell, das man sich ausmalen kann. – Dieser Satz stammt nicht von mir, sondern aus einer Rede des grünen Bundestagsabgeordneten Stefan Schmidt. Diese Ungerechtigkeit könne man den Bürgern nicht erklären, findet er. In Hessen hingegen wollen auch die GRÜNEN, dass genau diese Ungerechtigkeit zum Gesetz gemacht wird.
Im Gesetzentwurf der Landesregierung wird zwar anders als im reinen Flächenmodell der FDP ein Faktor zum Zweck einer lagebezogenen Korrektur angelegt, aber dieser ist rein willkürlich gewählt. Es wird angenommen, dass eine unterschiedliche Lage eine unterschiedliche Nutzung der Infrastruktur bedingt. Diese Annahme wird aber gar nicht weiter begründet. Sie ist aber die zentrale These des Flächen-Faktor-Verfahrens. Anders als im Scholz-Modell hingegen gibt es keine empirisch belegten Daten, die in diese Bewertung eingehen. Die Forderung des Bundesverfassungsgerichts, den Belastungsgrund realitätsgerecht umzusetzen, kann der vorgelegte Gesetzentwurf so nicht erfüllen. Das ist auch in der Anhörung gesagt worden; ich war in der gleichen Anhörung wie Sie. Was der Finanzminister als völlig logisch darzustellen versucht hat, ist also total aus der Luft gegriffen und willkürlich politisch gesetzt.
Eine Flächensteuer, die Immobilien gleicher Größe, aber unterschiedlicher Beschaffenheit, unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Ausstattung gleich behandelt, die potenzielle Erträge von Immobilien aber überhaupt nicht berücksichtigt, ist nicht nur ungerecht, sondern auch verfassungsrechtlich bedenklich.
Das sehen auch die GRÜNEN in Bayern so. Aber in Hessen gehen die grünen Uhren erstaunlicherweise immer ganz anders. Sie laufen eben immer noch rückwärtsgewandt im Takt mit der CDU.
Hessen hat – wir haben das eben schon gehört – ebenso wie Bayern bei der Grundsteuer die Länderöffnungsklausel genutzt. Diese auf Druck der CSU erfolgte Klausel erlaubt es den Ländern prinzipiell, in einem Flächenmodell die Größe des Grundstücks zur Berechnung heranzuziehen. Ja, aber auch eine im Rahmen der Abweichungskompetenz landesrechtlich ausgestaltete Grundsteuer muss nun einmal den steuerlichen Prinzipien genügen, die sich aus dem Grundgesetz ergeben. Beim vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung kann man daran berechtigte Zweifel haben. So hat es auch Prof. Dr. Löhr in der Anhörung ausgeführt.
Wollen Sie denn jetzt tatsächlich nach einem verfassungswidrigen Sondervermögen, nach einer verfassungswidrigen Beamtenbesoldung auch noch ein möglicherweise verfassungswidriges Grundsteuergesetz vorlegen? Wollen Sie das wirklich?
Wollen Sie damit dann das Risiko eingehen, dass die hessischen Kommunen im Rahmen der zu erwartenden rechtlichen Auseinandersetzungen erhebliche haushaltsrechtliche Risiken eingehen müssen? Und das alles nur deshalb, weil Sie unbedingt einen Sonderweg einschlagen wollen, weil Sie partout nicht das Modell von Olaf Scholz übernehmen wollten.
Und das, obwohl selbst die Steuerberaterkammer in der Anhörung gesagt hat, dass das Modell von Olaf Scholz das genauere sei, jetzt wohl aber die Zeit fehle, das in Hessen noch umzusetzen. Mit anderen Worten: Es wäre gerechter gelaufen, wenn sich Hessen nicht so viel Zeit gelassen hätte; so viel Zeit, dass die FDP noch vor Ihnen einen Gesetzentwurf präsentiert hat.
Jetzt ist es aber zu spät, das kompliziertere Modell umzusetzen, auch wenn dies für eine gerechtere Besteuerung sorgen würde. Die Zeit ist jetzt knapp – so knapp, dass die notwendige parlamentarische Debatte kaum noch abgewartet werden kann. Die „Frankfurter Neue Presse“ hat schon letzte Woche, also bevor wir die Anhörung zum Gesetzentwurf im Ausschuss überhaupt ausgewertet haben oder gar hier im Parlament diskutiert haben, gemeldet, dass der Landtag die Neuregelung zur Grundsteuer beschlossen habe und die Grundstückseigentümer zwischen dem 01.07. und dem 31.08.2022 ihre Steuererklärung zur Neuberechnung abzugeben hätten. Das hat die „FNP“ vermutlich nicht einfach frei erfunden. Irgendjemand muss es ihr ja gesagt haben. Der Finanzminister hat sich viel Zeit gelassen, aber die Zeit, abzuwarten, was die parlamentarische Debatte ergibt, ist jetzt wohl nicht mehr vorhanden.
Ein Wort noch zum Änderungsantrag der LINKEN. Ich verstehe, was Sie erreichen wollen, Herr Schalauske. Aber es ein kleines bisschen gerechter zu machen für einige, ändert nichts daran, dass der Gesetzentwurf grundsätzlich ungerecht ist.
– Gut. – Unser Fazit bleibt: Hessen hat es verschlafen, ein gerechtes Steuermodell umzusetzen. Der hessische Sonderweg belastet Mieter und begünstigt Reiche – und das, obwohl Olaf Scholz vorgemacht hat, wie es besser gehen kann. Sie reden hier die ganze Zeit von weniger Belastung für die Verwaltung, von Einfachheit. Uns hingegen geht es um gerechtere Steuern für Bürgerinnen und Bürger. Das ist mit Flächenmodellen nicht zu erreichen. Wir lehnen weiterhin beide Gesetzentwürfe ab. – Herzlichen Dank.