Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dass auch Hessen ein neues Grundsteuergesetz benötigt, steht seit November 2019 fest. Der Gesetzentwurf der Landesregierung wird uns aber jetzt quasi erst in allerletzter Minute vorgelegt. Was genau hat da eigentlich so lange gedauert? Wir haben es eben so ein bisschen herausgehört. Der Entwurf selbst aber ist – trotz des Lobes, wie wir es gerade gehört haben – eher enttäuschend. Groß war die Hoffnung, dass sich andere Bundesländer dem hessischen Modell anschließen. Stattdessen hat aber tatsächlich – das muss man so deutlich sagen – die Mehrheit der Länder, darunter auch etliche CDU regierte, unter anderem auch NRW, das Bundesmodell von Olaf Scholz schlicht übernommen. Schon allein zur Vereinheitlichung der Steuergesetzgebung macht das Sinn.
Warum also wieder einmal ein aus unserer Sicht vollkommen unnötiger hessischer Sonderweg? Ich habe dazu eben keine befriedigende Antwort gehört. Der Grundgedanke, den Olaf Scholz in der Grundsteuerreform formuliert hat, war: Wertvollere Immobilien gehen mit höheren Grundsteuerzahlungen einher. – Dazu muss aber ermittelt werden, was ein bebautes Grundstück tatsächlich wert ist. Viele andere Bundesländer werden das künftig tun. Dem hessischen Finanzminister aber ist das zu kompliziert. Nur zur Erinnerung: Wir haben das Jahr 2021, leben im digitalen Zeitalter, und Verwaltungen erfassen Daten über so ziemlich jeden und so ziemlich alles. Aber ausgerechnet bei der Wertermittlung von Immobilien geht das nicht? Verwaltungsvereinfachung kann doch nicht das entscheidende Argument sein, wenn es darum geht, Steuergerechtigkeit herzustellen.
Werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, das hat doch schon beim Bierdeckel von Friedrich Merz nicht funktioniert. Allein über Fläche, Nutzen und Lage, wie in Ihrem Gesetzentwurf vorgesehen, lässt sich ein realer Wert nicht ausreichend ermitteln. Die Art und die Beschaffenheit der Grundstücke, das Alter oder die Frage, ob das Gebäude kernsaniert wurde, all das spielt im hessischen Modell überhaupt keine Rolle, ebenso wenig wie der Ertrag, der sich in Form von Mieten erzielen lässt. Wie wollen Sie denn so zu einem gerechten Ergebnis kommen? Das funktioniert überhaupt nicht.
Ja, wir verstehen, dass eine realistischere Erfassung des eigentlichen Wertes von Grund keine Begeisterung bei der Immobilienwirtschaft und auch bei den Eigentümern besonders wertvoller Grundstücke auslöst; das ist wirklich nicht überraschend. Diese befürworten, ganz wie es die FDP als Gesetzentwurf vorgelegt hat, ein reines Flächenmodell. Denen ist ja selbst Ihr Modell noch zu kompliziert. Aber letztlich stellt der uns hier vorliegende Gesetzentwurf auch nur eine Modifizierung dieses Flächenmodells dar, mit ein paar zusätzlichen Faktoren, die von der Ungerechtigkeit des Leitprinzips – Besteuerung nach Flächengröße – ablenken sollen. Alle Flächenmodelle, auch das hessische, lassen dabei den tatsächlichen Wert des Grundvermögens vollständig außer Acht. Dabei hat doch das Bundesverfassungsgericht gerade die Anknüpfung an völlig veraltete Werte dieses Grundvermögens bemängelt; das war einfach so. Und trotzdem machen wir etwas vollständig anderes. Die Reform sollte gerade nicht dazu führen, dass weiterhin Eigentümer besonders wertvoller Grundstücke geschont werden. Aber genau das tut die Landesregierung.
Ja, die Grundsteuer ist eine reine Objektsteuer. Dennoch ergab sich bisher, zumindest indirekt, doch ein gewisser Verteilungseffekt dadurch, dass weniger wertvolle Grundstücke mit einem weniger werthaltigen Gebäude einen niedrigeren Einheitswert aufweisen und damit eine geringere Grundsteuer zu tragen hatten. Wenn sich jetzt aber Fläche und Lage rein an der Nutzung der von den Kommunen bereitgestellten Infrastruktur orientieren, dann werden begehrte Stadtrandlagen gegenüber den sogenannten innerstädtischen Problemlagen begünstigt. Ist das gerecht? – Sozial ist das zumindest nicht.
Es fehlt zudem völlig an einem nachweisbaren realistischen Zusammenhang, wenn jetzt formuliert wird, dass, je größer ein Grundstück sei, dort noch mehr Nutznießer kommunaler Infrastruktur Platz hätten. In größeren, weitläufigeren Immobilien können tatsächlich auch weniger Menschen leben als in kleinen, gedrängten Gebäuden. Das ist auch in Hessen so. Nach dem ursprünglichen Verständnis des Grundgesetzes stellt die Grundsteuer auch gar keine Gegenleistung für die zur Verfügung gestellte Infrastruktur dar. Steuern sind generell Geldleistungen, die keine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen, auch nicht für die konkrete Bereitstellung der Infrastruktur durch die Kommune für den Einzelnen, auch wenn diese Infrastruktur aus dem Steueraufkommen finanziert wird. Ich bin mir ganz sicher, dass auch der hessische Finanzminister die Steuerdefinition aus § 3 Abgabenordnung kennt. Bei der Grundsteuer in Hessen lässt er sie aber komplett außer Acht. Keine Frage: Die Grundsteuer ist wichtig für die Kommunen. Das denken wir alle, und da besteht sicher Einigkeit – außer vielleicht bei der AfD. Aber eine direkte Gegenleistung ist sie eben nicht.
Jetzt noch ein Wort zur Einführung der Grundsteuer C. Sie haben eben die vielen Gutachten gelobt, auch dass sie alle für Ihr Modell seien. Aber bei der Grundsteuer C fliegen die Ihnen gerade ein bisschen um die Ohren, zumindest wenn man die Stellungnahmen von etlichen, Ihnen eher nahestehenden Verbänden liest. Jetzt kann man natürlich sagen: Ja, wir brauchen so etwas wie eine Grundsteuer C – das finde ich auch –, die diejenigen belastet, die Baugrund blockieren. Es kann ja nicht in unserem Sinne sein, dass Baugrund blockiert wird und dass knapp gewordener Baugrund – gerade in den großen Städten – zu einem reinen Spekulationsobjekt wird. Aber gerade eine Flächensteuer setzt nun einmal Anreize, Grundstücke nicht zu bebauen. Ja, die Einführung einer Grundsteuer C kann in ganz bestimmten Lagen sinnvoll sein. Allerdings muss man auch aufpassen, dass nicht auch hier – wie beim ganzen Gesetzentwurf – die Falschen belastet werden, nämlich diejenigen, denen die hohen Baukosten zurzeit sowieso schon zu schaffen machen. Es sind nicht wenige Eigentümer, die diese Steuer nicht so einfach aus der Portokasse bezahlen können und die im Moment nicht bauen können, weil die Baukosten ins Unermessliche steigen. Ich denke, auch da muss man genauer hinschauen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ziel der Grundsteuerreform war es, die Steuer an die wirtschaftliche Realität anzupassen. Der wertvollere Immobilienbesitz sollte höhere Grundsteuern erbringen. Mit dem uns vorliegenden Gesetzentwurf hat die Landesregierung aber wieder eine Chance verpasst, unser Steuersystem transparenter, einheitlicher und gerechter zu gestalten – und das, obwohl Olaf Scholz vorgemacht hat, wie es gehen kann. Aber das gilt ja nicht nur für die Grundsteuer. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.